Freie Presse / Zwickauer Zeitung, Jan. 14, 2019
Trabantproduktion wird museumsreif
Der Fotograf Martin Roemers hat in Zwickau die letzten Tage der Trabi-Produktion begleitet. Seine Bilder kommen jetzt ins Deutsche Historische Museum Berlin, sie sind ein Stück Zeitgeschichte.
Von Susanne Streicher
ZWICKAU/BERLIN— Im Jahr 1991 ging nach 34 Jahren eine Ära zu Ende: Die letzte „Rennpappe“ der Marke Trabant lief im VEB Sachsenring Automobilwerke Zwickau vom Band. Mehr als drei Millionen dieser unverwüstlichen Duroplast-Fahrzeuge waren bis dato in der DDR produziert worden und dominierten das Straßenbild. Die letzten Monate vor dem Auslaufen der Fabrikation hat der niederländische Fotograf Martin Roemers genutzt, um den Produktionsprozess und die letzten Züge einer im Verschwinden begriffenen industriellen Kultur zu dokumentieren. Die gesamte Serie – bestehend aus 41 Fotos – hat nun das Deutsche Historische Museum in Berlin für seinen Sammlungsbestand gekauft.
Das Interesse des freischaffenden Fotografen Martin Roemers galt von Beginn seiner Arbeit den sozialistisch geprägten Industriekulturen in Europa, insbesondere in der DDR. Als zur Wende klar wurde, dass viele Staatsbetriebe schließen, entschied sich der Niederländer, damals noch Student an der Academy of Visual Arts in Enschede, für die Dokumentation der Produktion der letzten Jahre des Trabants – für ihn Symbol der DDR schlechthin – in Zwickau. In der Zeit von 1990 bis 1991 entstand seine Fotoserie. Seine Momentaufnahmen geben nicht nur intensive Eindrücke von den Industrieräumen wider, sondern fangen vor allem authentische Momente von den dort tätigen Menschen in ihren letzten Wochen und Tagen vor der Schließung ein. Ein Jahr später suchte der zweimalige World Press-Preisträger erneut die Sachsenring-Automobilwerke auf. „Die ausgeschlachteten Trabants warteten auf ihre Verschrottung durch die Presse. Die ganze Szenerie glich einer Friedhofsstätte“, sagt der 56-Jährige. Die Automobil-Leichen zeugten vom Niedergang des ostdeutschen Volks-Autos und vom Scheitern der DDR. Ihm war bewusst, dass seine Fotoreportage Zeugnis von einer verschwundenen sozialistischen Industriekultur ablegen wird.
Diese Fotoserie geht nun in den Sammlungsbestand des Deutsches Historischen Museums über. Die Sammlung umfasst 34.000 Fotografien von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Carola Jüllig, Leiterin des Fachbereichs Bild, wählte die Serie mit Hinblick auf eine Dauerausstellung aus, die sich mit der Zeit der Wiedervereinigung befassen soll: „Roemers eindrucksvolle Aufnahmen spiegeln den Übergangsprozess zwischen Plan- wirtschaft und kapitalistischer Wirtschaft wider. Da er Zugang zu allen Bereichen des Werks hatte, präsentieren die Aufnahmen ein unverfälschtes Bild der Arbeitsbedingungen. Ein Blick hinter die Kulissen, der neben einer Portion unterschwelligem Humor zeigt, dass die veralteten Produktionsbedingungen an ihr Ende angelangt sind. Mit seinem unbefangenen Blick als Außenstehender kreieren seine Fotos eine dichte Atmosphäre kurz vor dem Stillstand“, sagt Jüllig.
Sein langfristiges sozialdokumentarisches Fotoprojekt war bereits im Willy-Brandt-Haus in Berlin, im Deutschen Museum München und im Sächsischen Industriemuseum Chemnitz zu sehen. Achim Dresler, Vize-Direktor des Industriemuseums Chemnitz: „Die Fotos sind von dokumentarischer Klarheit und vermitteln die historische Einmaligkeit, den historischen ‚Kippmoment‘. Dass sich was ändert, liest man den Gesichtern der Arbeiter ab.“
Vorstellbar wäre für Roemers schon bald eine Ausstellung in Zwickau: „So kämen die Fotos an ihren Ursprungsort zurück. Das ist ein großes Anliegen für mich.“ Martin Roemers Fotografien wurden in internationalen Magazinen und Zeitungen, unter anderem im „National Geographic“, in der „New York Times“ und im „Spiegel“ veröffentlicht und waren in renommierten Museen weltweit zu sehen.
Im Jahr 2007 erschien ein Buch von Martin Roemers, es trägt den Namen „Trabant. Die letzten Tage der Produktion.“ Zu erwerben ist es über die Webseite des Fotografen: » www.martinroemers.com